Förderpreis Opus Primum für Klaus Barbie-Biografie

Peter Hammerschmidt erhält für sein Buch "Deckname Adler" den Förderpreis "Opus Primum". Die VolkswagenStiftung verlost Karten für die feierliche Preisverleihung in Hannover.

Mit seiner Dissertation, die die Grundlage des jetzt prämierten Erstlingswerkes bildet, ist dem Historiker Peter Hammerschmidt, Jg. 1986, Außergewöhnliches gelungen. Nach vielen vergeblichen Anläufen erhielt er Einblick in bislang verschlossene Akten der Geheimdienste. Und es gelang ihm, die eigenhändigen Memoiren des Kriegsverbrechers Klaus Barbie aufzuspüren. Hammerschmidts kürzlich erschienenes Buch "Deckname Adler" rekonstruiert die Nachkriegskarriere des nach Bolivien entkommenen "Schlächters von Lyon". Es schildert, wie ehemalige Nazi-Schergen sich im Untergrund gegenseitig stützten – und welche skandalöse Rolle BND und Verfassungsschutz dabei spielten. Für diese Leistung zeichnet die VolkswagenStiftung Peter Hammerschmidt mit dem Förderpreis Opus Primum aus, für die beste wissenschaftliche Nachwuchspublikation 2014. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis wird Hammerschmidt am 12. Nov. 2014 in einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem NDR im Schloss Herrenhausen in Hannover entgegennehmen.

Die Akten liegen im Verborgenen

Die Erforschung der Lebenswege von NS-Verbrechern nach 1945 gestaltet sich in der Regel schwierig. Verlässliches Quellenmaterial ist kaum vorhanden. Viele Akten liegen bei den Nachrichtendiensten unter Verschluss. Diese Tatsache hielt den Nachwuchswissenschaftler Peter Hammerschmidt jedoch nicht davon ab, für seine Dissertation über Klaus Barbie intensiv zu recherchieren, den ehemaligen Gestapochef von Lyon, der 1991 im Gefängnis starb. Hammerschmidts Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Nicht nur der Bundesnachrichtendienst, auch das Bundesamt für Verfassungsschutz gewährte ihm erstmals und exklusiv Einsicht in Akten über Barbie. Zudem analysierte er unveröffentlichte Briefe des Kriegsverbrechers und dessen Memoiren, die während seiner Haft entstanden sind und sich heute in Privatbesitz befinden.

Die außergewöhnlichen Quellen belegen, dass Barbie in seinem bolivianischen Exil nicht nur zeitweise auf der Gehaltsliste des BND stand. Darüber hinaus nutzte der Altnazi ein Netzwerk ehemaliger NS-Funktionäre in Lateinamerika für Waffengeschäfte, das später auch das Bundesverteidigungsministerium und der Bundesnachrichtendienst für den Verkauf von überschüssigem Bundeswehrmaterial für sich instrumentalisierten. Eine zweite brisante Erkenntnis: Der "Freundeskreis Barbie", wie der Autor ihn nennt, war eine heterogene Gruppe aus Neo- und Altnazis sowie öffentlichen Personen, wie dem ehemaligen Bundesvorsitzenden der DVU Gerhard Frey, Barbies Anwalt Jaques Vergès, dem Terroristen Ilich Ramírez Sánchez (genannt Carlos) und dem ehemaligen SS-Hauptsturmführer Alois Brunner. Aus den Akten des Verfassungsschutzes, die auch Material des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad enthalten, konnte Hammerschmidt rekonstruieren, dass der "Freundeskreis" Ende der 1980er Jahre sogar die Befreiung Barbies aus seiner Haft in Lyon plante.

Hohe Quellentiefe und große Rechercheleistung gaben den Ausschlag

In seinem publizistischen Debüt schlägt Hammerschmidt einen Bogen von der Person Barbie bis zum skandalös protegierenden Umgang der Nachrichtendienste mit weiteren NS-Verbrechern nach dem Ende des Krieges. Hammerschmidt zeigt auf, wie nationale Sicherheitsinteressen Vorrang vor moralischen Bedenken hatten. Dabei bleibt er sich bewusst, dass er aufgrund seiner disparaten Quellen, die auch Originaltöne Barbies enthalten, Bewiesenes von Vermutetem streng abgrenzen muss. Nicht zuletzt diese wissenschaftliche Sorgfalt beim Umgang mit den Quellen trug dazu bei, dass die VolkswagenStiftung Hammerschmidt den Förderpreis zuerkannt hat. Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung und Vorsitzender der Jury, begründet die Entscheidung: "Peter Hammerschmidt bearbeitet in seiner Publikation auf bemerkenswerte und spannende Weise ein wichtiges Kapitel deutscher Kriegs- und Nachkriegsgeschichte. Hierbei sind vor allem seine Rekonstruktionsleistungen, aber auch die Hartnäckigkeit des Autors, neue Quellen zu erschließen, besonders hervorzuheben. Durch seinen individuellen Stil bereitet der Autor die Forschungsergebnisse auch für ein Publikum jenseits der Fachwissenschaft sehr gut nachvollziehbar auf." Peter Hammerschmidt, geboren 1986, ist Historiker und promovierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, das Thema der seiner Dissertationsschrift war "Die Nachkriegskarriere des "Schlächters von Lyon". Klaus Barbie und die westlichen Nachrichtendienste". Hammerschmidt war 2011/12 zudem als wissenschaftlicher Fachberater für den Dokumentarfilm "Aribert Heim – Die Jagd nach Dr. Tod" sowie für das Hör-Dokudrama "Klaus Barbie – Begegnung mit dem Bösen" tätig. Er absolviert seit Januar 2014 den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien und lebt in Ramstein-Miesenbach/Pfalz.

Literaturangabe:

"Deckname Adler. Klaus Barbie und die westlichen Geheimdienste", S. Fischer Verlag (Frankfurt a.M.). Aug. 2014, 560 Seiten

 

Hintergrund Opus Primum: Mit dem Förderpreis Opus Primum möchte die VolkswagenStiftung den wissenschaftlichen Nachwuchs stärken und unterstreichen, dass Wissenschaftsvermittlung für die deutsche Forschung eine zentrale Aufgabe ist. Die Auszeichnung wird jährlich für eine deutschsprachige Publikation von hoher wissenschaftlicher Qualität vergeben, die gut lesbar geschrieben und auch einem breiteren Publikum verständlich ist. Die Jury von Opus Primum: Günter Haaf, Wissenschaftspublizist, Prof. Dr. Charlotte Klonk, Humboldt-Universität Berlin, Prof. Dr. Markus Krajewski, Universität Basel, Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, Dr. Ulrich Kühn, Norddeutscher Rundfunk, Prof. Dr. Jürgen Renn, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin und Dr. Christian Schwägerl, Wissenschaftspublizist.

Peter Hammerschmidt hat für sein Sachbuch ausführlich recherchiert und neue Erkenntnisse über NS-Verbrecher und den Umgang mit ihnen durch deutsche Behörden in der Nachkriegszeit gewonnen. (Foto: Malte Roschinski)