Ausgezeichnete Forschung zu Insektensymbiosen und Antibiotika

Dr. Martin Kaltenpoth vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena wurde mit dem Thüringer Forschungspreis ausgezeichnet und übernimmt den Lehrstuhl für Evolutionäre Ökologie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Symbiosen bezeichnen eine Form des Zusammenlebens verschiedener Arten von Lebewesen. Sie sind in der Natur allgegenwärtig und für das Überleben von Tieren und Pflanzen wichtig. Auch wir Menschen leben in Symbiose mit einer Vielzahl von Mikroorganismen. Diese spezialisierten Bakterien helfen uns unter anderem, Krankheitserreger abzuwehren, Schadstoffe zu entgiften und Nahrung zu verdauen. Bei Insekten finden sich ebenfalls solche Bündnisse mit Bakterien. Mit einer besonders faszinierenden Symbiose, der zwischen dem Europäischen Bienenwolf Philanthus triangulum, einer Grabwespenart, und deren symbiontischen Bakterien, die antibiotisch wirksame Substanzen produzieren, beschäftigt sich Dr. Martin Kaltenpoth, Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe Insektensymbiose.

Martin Kaltenpoth (Foto: Norbert Michalke)

Bienenwölfe jagen Honigbienen, lähmen diese mit einem Stich und bringen sie als Futter für ihren Nachwuchs in ihre Bruthöhlen. Die Larven, die in unterirdischen Höhlen aus den abgelegten Eiern schlüpfen, sind bedroht durch zahlreiche Bodenpathogene wie etwa Schimmelpilze und Bakterien. Dass die Brut trotzdem überlebt, verdankt sie der erstaunlichen Allianz mit symbiontischen Bakterien, die die Bienenwolfweibchen in ihren Antennen kultivieren. Die Symbionten sind in einer weißen Substanz enthalten, die die Insekten aus ihren Antennen absondern und damit die Decke ihrer Brutzellen bestreichen. Die Larve nimmt die Symbionten auf und spinnt sie bei der Verpuppung in ihren Kokon mit ein. Dort produzieren die Bakterien einen Cocktail aus über zwanzig verschiedenen Antibiotika. Der Kokon – und damit der Insektennachwuchs – ist also mit Breitband-Wirkstoffen gegen eine große Zahl an Pilzen und bakteriellen Erregern geschützt. Martin Kaltenpoth hat die antibiotisch wirksamen Substanzen mit seinem Team zum einen als Erster nachgewiesen, zum anderen hat er inzwischen seine Analysen so vorangetrieben, dass die Wissenschaft in kurzer Zeit immer wieder Neues über das Verständnis der Evolution solcher "Schutzsymbiosen" in der Natur erfahren hat. Der Nutzen liegt auf der Hand: Angesichts zunehmender Resistenzen gegen herkömmliche Antibiotika ist die Entdeckung und Identifizierung neuer antibiotischer Wirkstoffe in der Natur sowohl für die Humanmedizin von Bedeutung als auch interessant für Forscher, die etwas über die evolutiven Prozesse lernen wollen, die solch einer Symbiose zugrunde liegen.

Ein Bienenwolfweibchen hat eine Biene gefangen, um sie in ihre Bruthöhle zu bringen. (Foto: Martin Kaltenpoth, MPI für chemische Ökologie)

Martin Kaltenpoth leitet seit 2009 die Max-Planck-Forschungsgruppe Insektensymbiose am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie. "Mich fasziniert, dass durch die Evolution einer Symbiose sprunghaft eine Anpassung des Wirtes an bestimmte ökologische Nischen stattfinden kann, die sonst nicht verfügbar wären. Wie dann zwei völlig verschiedene Organismen eine beiderseitig vorteilhafte Symbiose eingehen und über lange Zeiträume beibehalten, ist für mich ein erstaunliches Phänomen", begeistert sich Kaltenpoth. Sein Forschungsprojekt wurde von der VolkswagenStiftung im Rahmen der inzwischen beendeten Initiative "Evolutionsbiologie" gefördert. Für seine herausragende Leistung zeichnete ihn der Freistaat Thüringen im März 2015 mit dem Thüringer Forschungspreis 2014 in der Kategorie Grundlagenforschung aus. Zum kommenden Semester folgt er jetzt dem Ruf auf den Lehrstuhl für Evolutionäre Ökologie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.

Mehrere Monate überwintert die Bienenwolf-Larve im Kokon, bevor das ausgewachsene Tier schlüpft. Von Symbionten produzierte Antibiotika auf der Kokonoberfläche bieten dabei Schutz vor mikrobiellen Schädlingen, ihre Menge macht Massenspektrometrie sichtbar (auf den Kokon projiziert). (Fotomontage: Johannes Kroiß und Martin Kaltenpoth, MPI für chemische Ökologie)