12,2 Millionen Euro für sieben Forschungsprojekte über Nachhaltigkeit

Auch in diesem Jahr wurden innerhalb des Förderprogramms "Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung" über 12 Millionen Euro an niedersächsische Wissenschaftler(innen) bewilligt – für insgesamt sieben Projekte im ganzen Bundesland.

Auch in der zweiten Ausschreibungsrunde des Förderprogramms "Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung" der VolkswagenStiftung und des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur reichten die erfolgreichen Anträge über alle relevanten Themenfelder nachhaltiger Entwicklung: Ökologie, Wirtschaft, Bildung und Soziales. Aus insgesamt 50 Anträgen, die bis zum Stichtag am 15. März 2015 eingegangen waren, hat eine Gutachterkommission 15 besonders vielversprechende Projekte ausgewählt. Diese ausgewählten Antragsteller(innen) haben auf einem öffentlichen Auswahlkolloquium am 19. und 20. Oktober 2015 im Tagungszentrum Schloss Herrenhausen in Hannover ihre Projekte präsentiert. Anschließend stellten sie sich nicht nur den Fragen der Fachgutachter(innen), sondern auch denen von rund 150 wissenschaftsinteressierten Zuhörer(inne)n im Publikum. Nach den Präsentationen entschied das Gutachtergremium darüber, welche Projekte letztlich zur Förderung vorgeschlagen werden. Aus Mitteln des Niedersächsischen Vorab der VolkswagenStiftung werden nun sieben Projekte an Hochschulen im gesamten Bundesland finanziert, darunter Braunschweig, Göttingen, Hannover, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Vechta. Mit diesem transparenten Begutachtungsverfahren gehen Stiftung und Ministerium gemeinsam neue Wege, um mehr Transparenz bei der Vergabe von Fördergeldern zu schaffen und Bürger(innen) Einblicke in aktuelle Forschungsfragen zu geben. Bereits im vergangenen Jahr bei der ersten Ausschreibung wurde dieses Verfahren angewendet. Die Fördervolumina der einzelnen bewilligten Projekte liegen in diesem Jahr zwischen 1,0 und 2,8 Millionen Euro; die Laufzeiten betragen drei bis vier Jahre. Die Gesamtfördersumme in beläuft sich auf 12,2 Millionen Euro (in 2014 rund 12,1 Millionen Euro für acht Projekte). Link zu allen Informationen über das öffentliche Auswahlkolloquium.

Die Projektbeschreibungen im Detail

NEMo – Nachhaltige Erfüllung von Mobilitätsbedürfnissen im ländlichen Raum (Universität Oldenburg, Technische Universität Braunschweig, Leuphana Universität Lüneburg)

Mehr als 50 Millionen deutsche Bürger leben im ländlichen Raum und haben individuelle Bedürfnisse, was Mobilität (z. B. zum Arbeits- und Ausbildungsplatz) und Versorgung (z. B. mit Lebensmitteln, Ärzten usw.) betrifft. Landkreise und Gemeinden müssen den stetig wachsenden Ansprüchen nachkommen – oft reichen Busse und Bahnen dafür nicht aus. Das Forschungsvorhaben verfolgt daher die Entwicklung innovativer und nachhaltiger Mobilitätsdienstleistungen für ländliche Räume: Es sollen neue Mobilitätsangebote für die Region um Oldenburg sowie den Landkreis Wesermarsch entstehen, an denen sich Bürgerinnen und Bürger als Anbieter beteiligen können. Ein Beispiel aus dem Vorhaben: Selten angefahrene Bushaltestellen könnten von Privatpersonen mit ihrem PKW bedient werden, was Versorgungslücken schließen und das Verkehrsaufkommen sowie die Umweltbelastung verringern würde. Bioökonomie 2.0: Innovationspotenziale von Nebenströmen der Lebensmittelverarbeitung (Universität Vechta, Universität Göttingen, Leibniz Universität Hannover, Hochschule Osnabrück, Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik Quakenbrück) Das Projekt zielt darauf ab, neue Wertstoffe für die Lebensmittelproduktion (etwa Ballaststoffe, natürliche Aromastoffe, Proteine) aus den Nebenprodukten bei der Verarbeitung z. B. von Kartoffeln, Karotten und Raps zu gewinnen. Die bislang nur wenig verbreitete Verwertung dieser Nebenströme setzt voraus, dass Veränderungen in den Produktionssystemen für die Nutzpflanzen stattfinden – bei nahezu allen, die an Anbau und Verarbeitung der Lebensmittel beteiligt sind. Dass diese einzelnen Akteure sich dazu bereit erklären, Investitionen für Produktionsumstellungen zu tätigen, ist eine wichtige Voraussetzung. Die neu entstehenden Wertstoffe sollen auf Marktfähigkeit und Akzeptanz hin getestet werden, wobei die niedersächsischen Verbraucherinnen und Verbraucher mit einbezogen werden sollen. Gestaltungskompetenz als Innovator für hochzuverlässige Organisationen im Gesundheitssystem (Universität Osnabrück, Hochschule Osnabrück, Freie Universität Berlin) In jüngster Zeit erschrecken viele Berichte über Gesundheitsgefahren durch Behandlungsfehler. Die Fragen, die sich nun stellen, sind: Was sind die Ursachen? Wer ist dafür verantwortlich? Warum konnten sie nicht verhindert werden? Für mehr Patientensicherheit muss proaktiv agiert werden. In der Medizin konnte sich dieses proaktive Handeln bis dato nur partiell etablieren – auch der Umgang mit Fehlern ist nach wie vor schwierig. Wichtig ist jedoch die Sensibilität des Personals für potenzielle Störungen und Fehler. Auch mehr Flexibilität und Entscheidungskompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist unabdingbar, (Weiter-)Bildung ist dafür die entscheidende Basis. Hier setzt das Forschungsprojekt an und will eine interaktive Lernumgebung für das Krankenhauspersonal entwickeln und erproben. Die Rolle der Hochschulen in der Ausbildung von Schlüsselakteuren für die Nachhaltigkeitstransformation (Leuphana Universität Lüneburg) Für das Durchsetzen nachhaltiger Entwicklung sind gesamtgesellschaftliche Veränderungen erforderlich. Um diese Veränderungen zu konzipieren und anzuwenden, sind entsprechend ausgebildete Schlüsselakteure nötig – was wiederum Hochschulen auf den Plan ruft. In den letzten zehn Jahren wurden bereits mehrere Modellprojekte gestartet, in denen entsprechende Lehrpläne und Lehrformate erprobt wurden. Diese "best practice" Beispiele sind jedoch noch nicht empirisch überprüft. Das Forschungsprojekt unternimmt nun diesen Versuch: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen innovative Hochschulkurse und vergleichen nachhaltigkeitsorientierte Curricula. Dabei beziehen sie Studierende, Absolventen, Lehrende, Studienberater und Arbeitgeber im Nachhaltigkeitsbereich mit ein. Eine Kooperation mit der Arizona State University bereichert das Projekt. Metapolis – Eine inter- und transdisziplinäre Plattform für eine nachhaltige Entwicklung der Stadt-Land-Beziehungen in Niedersachsen (Technische Universität Braunschweig, Leibniz Universität Hannover) Große, mittelgroße und kleine Siedlungen in ländlicher Umgebung sind an vielen Punkten (bei Verkehrs-, Waren- und Datenströmen sowie Handlungen ihrer Bevölkerung) miteinander verbunden. Das Forschungsprojekt untersucht, welche Strategien für nachhaltige Beziehungen zwischen Stadt und Land in Niedersachsen bestehen, welche möglich und welche sinnvoll sind. Dabei nehmen die Forscherinnen und Forscher neben städtebaulichen und stadtplanerischen sowie ökologischen und sozialen Aspekten auch Energie, Ressourcen und Mobilität in den Blick. Auch, ob sich die Konzepte politisch und gesellschaftlich durchsetzen lassen, wollen sie untersuchen. Ein zentrales Produkt des Projekts soll eine interaktive Informations- und Partizipationsplattform sein, die die gewonnenen Erkenntnisse allgemeinverständlich darstellt. Nachhaltigkeit als Argument: Suffizienz, Effizienz und Resilienz als Parameter anthropogenen Handelns in der Geschichte (Universität Göttingen, Leibniz Universität Hannover) Bereits in früheren menschlichen Gesellschaften war Nachhaltigkeit ein wichtiger Aspekt für Überleben und Entwicklung, aber keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Denn Menschen müssen über Nachhaltigkeit informiert werden, von ihr überzeugt werden, sie können andere Modelle von Nachhaltigkeit vertreten oder nachhaltiges Handeln auch ablehnen. Daher fragen die Forscherinnen und Forscher, welche Formen der Nachhaltigkeit bestehen, wie sie zu Stande gekommen sind und wie sie praktisch umgesetzt werden. Sie wollen nachvollziehbare Einflüsse von Nachhaltigkeit in der Geschichte identifizieren und analysieren. Das Vorhaben überprüft die These, dass Nachhaltigkeit als Kerngedanke im menschlichen Verhalten über alle Epochen hinweg existiert. "Diversity Turn" in Land Use Science: Die Bedeutung sozialer Diversität für nachhaltige Landnutzungsinnovationen am Beispiel des Vanilleanbaus in Madagaskar (Universität Göttingen) Um landwirtschaftliche Flächen nachhaltig und gleichermaßen effizient bewirtschaften zu können, muss besonderes Augenmerk auf die Gesellschaft und Ökologie des Landes gelegt werden. In diesem Forschungsvorhaben soll ein Nachhaltigkeitskonzept entstehen, das diese regionale Vielfalt ausdrücklich berücksichtigt. Konkret wollen die Forscherinnen und Forscher am Beispiel des Vanilleanbaus in Madagaskar die Einführung von Wertschöpfungsketten untersuchen, durch die kleinbäuerliche Haushalte eng an international tätige Unternehmen gebunden werden. Das Land gehört zu den ärmsten der Welt, gleichzeitig gehören die dortigen Wälder zu denen mit besonders schützenswerter biologischer Vielfalt. Daher werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Frage nachgehen, wie sich das Zusammenspiel der kleinbäuerlichen Verhältnisse vor Ort mit internationalen Wertschöpfungsketten der Industrie auf Menschen und Umwelt Madagaskars auswirken. Anhand der Erkenntnisse sollen Vorschläge für nachhaltige Landnutzung entwickelt werden.

Hintergrund Niedersächsisches Vorab

Nach § 8 Abs. 2 der Satzung der VolkswagenStiftung setzt sich das "Vorab" aus drei Teilen zusammen: Es umfasst zum einen den Gegenwert der jährlichen Dividende auf nominal 77,3 Millionen Euro VW-Aktien, der der VolkswagenStiftung aus der Beteiligung des Landes Niedersachsen an der Volkswagen Aktiengesellschaft zusteht, ferner den Ertrag aus der Anlage von 35,8 Millionen Euro aus einem Vertrag mit dem Land Niedersachsen von 1987 sowie zehn Prozent der übrigen zur Verfügung stehenden Fördermittel.

Zum zweiten Mal werden Förderprojekte aus dem Programm "Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung" gefördert. (Foto: Uwe Schlick - pixelio.de)