Modellforschung jenseits von Disziplingrenzen: "Literaturforschung und Energiewende"

Ein interdisziplinäres Projekt führt Wissenschaftler(innen) aus Geistes- und Technikwissenschaft für die Entwicklung einer allgemeinen Modelltheorie zusammen, die auch bei der Technikfolgenabschätzung helfen soll.

Modellierungen gibt es in jeder wissenschaftlichen Disziplin, mit ihnen werden komplexe Vorgänge wie Klimaerwärmung, Massenmigration oder Technologiewandel abgebildet. Modelle bilden auch die Grundlage für viele politische und gesellschaftliche Entscheidungen. Sie helfen aktuelle Entwicklungen zu verstehen, Zukunftsszenarien zu gestalten und die Folgen unseres Handelns abzuschätzen. Zwischen den Modellbegriffen und Modelltheorien verschiedener Disziplinen gibt es bisher jedoch wenig Austausch und Abgleich, ähnliche Terminologien werden beispielsweise völlig unterschiedlich gefüllt. Eine übergreifende Theorie, welche die Stärken von Modellen aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenführt, gibt es bislang nicht.

Neues Modell soll Disziplingrenzen überbrücken

"Was fehlt, ist eine interdisziplinäre Anstrengung, einen Mehrwert aus diesen Unterschieden zu gewinnen und den Weg für eine Modellforschung jenseits der Disziplingrenzen zu bereiten", erläutert Professor Klaus Stierstorfer, Literaturwissenschaftler am Englischen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und Sprecher des Projekts "Literaturforschung und Energiewende - Entwicklung und Applikation einer literarischen Modelltheorie".

Für das Projekt kooperieren Forscher(innen) aus den Disziplinen Germanistik, Anglistik,  Philosophie, Pädagogik, Informatik und Technikfolgenabschätzung in einem Forschungsverbund der WWU und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Die Forschungsgruppe möchte eine allgemeine Modelltheorie entwickeln und gleichzeitig ein Werkzeug für konstruktive Modellkritik bereitstellen. Die Wissenschaftler(innen) planen, auf Basis einer literaturwissenschaftlichen Modelltheorie Modellierungen aus der Energietechnik zu untersuchen und nehmen damit auch die Energiewende in den Fokus. Die VolkswagenStiftung fördert das Anfang August gestartete Projekt im Rahmen ihrer Förderinitiative "Offen für Außergewöhnliches" mit 940.000 Euro.

Erkenntnisse für Energiewende erhofft

An der WWU wird zunächst eine literaturwissenschaftliche Modelltheorie entwickelt. Praktisch angewendet und getestet wird dieses Theoriemodell anschließend am Projektstandort Karlsruhe, in einem der komplexesten Modellszenarien Deutschlands: dem "EnergyLab 2.0" des KIT. Hier wird ein ganzer Campus zum Modell, um die Energiewende in Deutschland bis zum Jahr 2050 darzustellen.

"Uns interessiert, was die Menschen jenseits ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Modellentwicklung antreibt", erklärt Professor Veit Hagenmeyer, Leiter des Instituts für angewandte Informatik (IAI) am KIT. Die Wissenschaftler wollen daher auch analysieren, welche gesellschaftlichen Narrative, also persönliche Einschätzungen, Prägungen und Erwartungen oder auch Ideologien, in Modelle einfließen und welche Aspekte ein Modell mit beeinflussen, die über die eigentliche wissenschaftliche Fragestellung hinaus gehen.

Weitere Informationen

Pressemitteilung des KIT

Pressemitteilung der WWU Münster

Hintergrund: Die Förderinitiative "Offen - für Außergewöhnliches"

Unter "Offen – für Außergewöhnliches" werden herausragende Vorhaben gefördert, die sich durch einen originellen und interdisziplinären Forschungsansatz auszeichnen und keiner aktuellen Initiative zugeordnet werden können.

Die Forschungsgruppe möchte ihr Theoriemodell am "EnergyLab 2.0" des Karlsruher Instituts für Technologie testen. (Foto: KIT)