Sprachwandel oder Sprachverfall? Zur Textqualität im digitalen Zeitalter

In einem Forschungsprojekt sollen ein Modell und Messmethoden zur Bewertung von Texten entwickelt werden – Mitmachen via MIT.Blog erwünscht

Nicht nur ältere Profitexter und wohlmeinende Sprachwahrer machen sich angesichts der "Normabweichungen" beim Schreiben in sozialen Medien Sorgen um die künftige Qualität der Schriftsprache. Wie wirkt sich das multimodale, dialogische Kommunizieren in den Netzwerken mit all seinen Besonderheiten auf unsere Sprache allgemein und auf die Qualität von Texten der "digital natives" aus? Muss man von einem Sprachwandel oder gar Sprachverfall ausgehen? Bevor dies beantwortet werden kann, stellt sich jedoch die grundlegende Frage nach der Bewertung von Textqualität: Was ist gute Schreibkompetenz, wie kann man sie messen?  

In einem Forschungsprojekt soll nun ein Modell zur Bewertung von Sprachqualitäten erarbeitet werden, das bestehende Ansätze erweitert – mit Blick auf die Veränderungen, die das Schreiben durch die digitalen Medien erfährt. Das Vorhaben "Wie misst man Textqualität im digitalen Zeitalter?" von Prof. Dr. Angelika Storrer (Universität Mannheim, Seminar für deutsche Philologie), Priv.-Doz. Dr. Carolin Müller-Spitzer (Institut für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim) sowie Dr. Aivars Glaznieks und Dr. Andrea Abel (EURAC Research, Bozen) wird von der VolkswagenStiftung in ihrer Initiative "Originalitätsverdacht? Neue Optionen für die Geistes- und Kulturwissenschaften" gefördert. In einem zweiten Schritt will das Projektteam für die verschiedenen Qualitätsdimensionen auch Messmethoden entwickeln und diese in kleinen Fallstudien explorieren. Letztlich ist es Ziel herauszufinden, ob und wie sich das häufige Lesen und Schreiben kurzer, in Dialoge eingebundener Botschaften auf die Kompetenz zum Planen und Verfassen monologischer, längerer Schrifttexte auswirkt.

An dem Projekt sind Forscher(innen) aus der Sprachwissenschaft mit Schwerpunkten im Bereich Social Media bzw. Lernerkorpora und eine Expertin für empirische Methoden in der Linguistik beteiligt. Sie informieren auf der Website mitqualitaet.com ausführlich über Ziele und geplante Vorgehensweisen. Mit einem Projektblog (MIT.Blog) wird versucht, den wissenschaftlichen Diskurs über das Schreiben im Netz auch im Netz selbst zu führen und Interessierte zum Mitwirken einzuladen. So sollen neue relevante Kategorien für das Modell (etwa Authentizität oder die Interaktion mit anderen Usern) auch durch eine Art Crowdsourcing-Prozess in das Projekt einfließen können.  

Zum Projektauftakt findet am 18. und 19. Juni an der Universität Mannheim ein Expertenworkshop zur Forschungsfrage statt, bei der Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie Texterinnen und Texter aus den Social Media ihre Ideen und Erfahrungen präsentieren und diskutieren. Ein detailliertes Programm zum Workshop findet sich auf der Homepage der Uni Mannheim. Anmeldungen sind bis zum 5.Juni 2018 unter lbroeche@mail.uni-mannheim.de möglich. 

Hintergrund zur Förderinitiative "Originalitätsverdacht?"

Die Förderinitiative "Originalitätsverdacht? Neue Optionen für die Geistes- und Kulturwissenschaften" zielt auf die Exploration von Forschungsideen mit erkenntnisgewinnender Originalität aus den Geistes- und Kulturwissenschaften.

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