VolkswagenStiftung blickt auf ein Jahrzehnt Museumsförderung zurück

Sind Sie museumsreif? Zum internationalen Tag der Museen am 21. Mai zieht die Stiftung ein Resümee: Rund 30 Mio. Euro sind in 170 Projekte geflossen.

Museumsreif: Der Begriff bezeichnet Menschen, Dinge und Ansichten, die angeblich nicht mehr in die Zeit passen – und die also ab sofort an einen Ort, dem Volksmund nach offenkundig in ein "Museum", gehören, wo sie verwahrt werden, geruhsam vor sich hin einstauben dürfen, letztlich entsorgt sind. Abgelegt häufig mit reichlich Pathos-umflorter Wehmut und oft begleitet von einem vorgeschobenen "Ach-Ja"-Seufzer, der doch nur schlecht verhehlt, wie froh man über die erhoffte Endlagerung ist. Doch wenn etwas nicht (mehr) in diesem Sinne "museumsreif" ist, dann sind es hierzulande die Museen selbst. Wie zeitgemäß sich diese Häuser und Orte mehr denn je präsentieren, lässt sich am kommenden Sonntag, dem 21. Mai 2017, beim 40. Internationalen Museumstag bestaunen – begleitet von zahlreichen Events.

Quer durch die Republik beteiligen sich daran auch etliche Museen, die im vergangenen Jahrzehnt von der VolkswagenStiftung in ihrer Initiative "Forschung in Museen" gefördert wurden. Gerade dass beispielsweise an jenem Ort nun diese eine Preziose zu sehen ist oder an anderer Stätte eine Sammlung, die nach Jahrzehnten neu oder überhaupt erstmals erschlossen wurde und nun als Ausstellung mit aufbereiteten Inhalten sichtbar werden kann: Das ist dem Engagement der Stiftung zu verdanken.

Gehen Sie also einfach am Sonntag aus dem Haus und lassen Sie sich in ein Museum treiben. Nicht unwahrscheinlich, dass Sie dabei auch auf eines jener 170 Museumsprojekte stoßen, die die VolkswagenStiftung – wie beispielhaft die folgenden – in den vergangenen zehn Jahren in ihrer Förderinitiative unterstützt hat. Immerhin insgesamt gut 30 Mio. Euro stellte Deutschlands größte private Förderin der Wissenschaften dafür bereit.

Fragmente römischer Großbronzen im Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg in Rastatt wurden in einem in "Forschung in Museen" geförderten Projekt untersucht. (Foto: Martin Neumann).

Kaum möglich, unter 170 eine exemplarische Auswahl zu treffen: Zu sehen etwa, wie sich inneres Leuchten auf Kunst wirft und über oft lange Zeit verwahrte und vereinzelte Menschen im Zerrbild ihrer kranken Seelen malerisch die Welt abbilden (Kunst psychisch Kranker, Prinzhorn-Sammlung, Heidelberg); wie Maler unter dem Einfluss übermächtiger Diktaturen sich mit dem Mitteln der Kunst zu behaupten versuchen (maritime Malerei des 20. Jahrhunderts, Kunstmuseum Ahrenshoop an der Ostseeküste); wie eine vernachlässigte Kunstform sichtbar wird als eigener Akteur und nun plötzlich Szenenbilder, Filmkulissen und Requisiten uns mit ihren ganz eigenen Stimmen zuwispern, welche Bedeutung gerade sie und eben nur sie für das Handlungsgeschehen eines Films haben, wie sie Charaktere akzentuieren und magische Augenblicke für den Betrachter schaffen (Die Szenographie als zentraler "Akteur" für das Bildgeschehen im Film; Filmmuseum Potsdam): All das lässt sich am Sonntag entdecken.

Und es geht noch viel mehr: Den Künstler persönlich sprechen; mit den Didaktikern oder "Ausstellungsmachern" in Museen individuell diskutieren oder lernen, wie man womöglich in entlegener Gegend in einer bedrohten Sprache nach dem Weg fragt. Oder ebenso einfach wie umfassend und in allen Museen zu beinahe jedem Thema möglich: bei sich selbst wiederzuentdecken, welche Freude es bereitet, unbekannte Dinge zu bestaunen, sich Wissen anzueignen oder gleichermaßen Kindern den Weg zu dieser Erkenntnis zu ebnen – und schließlich in logischer Konsequenz den Drang zu schüren, Dingen richtig auf den Grund gehen zu wollen. All das macht den kommenden Sonntag aus. Versprochen!

Und selbst wenn Sie meinen, "was soll ich noch im Museum, ich bin eigentlich schon reif für die Insel ..."; nun, dann machen Sie doch erst einmal den ersten Schritt vor dem zweiten und besuchen eines der Naturkundemuseen – vielleicht das große in Berlin, gemessen allein an den Beständen eines der zehn größten Häuser seiner Art weltweit. Dort treffen sie zum Beispiel auf eine "Biodiversitätswand", die Sie staunen lassen wird, oder auf das Thema "Inseln als HotSpot der Evolution". Nur nebenbei bemerkt: Gerade die Naturkundemuseen gehören zu jenen, die vielfach von der Stiftungsförderung profitiert haben – ob "Forschung in Museen" oder "Evolutionsbiologe".

Etwa 6.400 Museen und 470 reine Ausstellungshäuser gibt es in Deutschland – pro Kopf der Bevölkerung mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Die Palette an "Museumswertem" hierzulande zeigt: Museen sind ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Sie sind nicht nur Inseln im Meer der Zeit, sondern Kraftorte des gesellschaftlich-kulturellen Lebens, an denen erfahren, gestaunt, gemalt, getanzt, gefeiert, getwittert, gefilmt und Theater gemacht wird. Gerade am kommenden Sonntag!

Das Kunstmuseum Ahrenshoop hat am 30. August 2013 Eröffnung gefeiert. (Foto: Kunstmuseum Ahrenshoop)

Initiative Forschung in Museen

Sammeln, Bewahren, Erforschen sowie Vermitteln und Ausstellen von Kulturgut: Das ist der klassische Vier- beziehungsweise Fünfklang, dem sich Museen kraft Auftrag bei ihrer täglichen Arbeit zu stellen haben. Doch unter die Klänge mischen sich seit geraumer Zeit schiefe Töne – zuletzt vor allem deshalb, weil durch eine zunehmende "Eventisierung" von Museen den anderen Säulen immer weniger Ressourcen bleiben. Doch nur, wenn Sammlungen auch beforscht werden, können Museen langfristig wissenschaftlich fundierte Ausstellungen konzipieren und so wiederum ihrem Vermittlungsauftrag gerecht werden.

Dies vor Augen, richtete die Stiftung im Jahr 2008 die Förderinitiative "Forschung in Museen" ein, unter deren Dach jetzt, ein Jahrzehnt später, die letzten Projekte bewilligt wurden. Ziel war es, die Museen als Forschungsinstitutionen zu stärken – und zwar mithilfe zweier Hebel. Zum einen wurden kooperative Vorhaben von Hochschulen und insbesondere kleineren und mittelgroßen Museen zur Erforschung von Sammlungsbeständen gefördert, zum anderen mit einem maximal auf vier Jahre angelegten Fellowship Postdoktoranden mit ihren Projektideen zur Arbeit an den Sammlungen. Diese Förderung war so gestaltet, dass sie sowohl für berufliche Perspektiven im Museumsbereich als auch für eine wissenschaftliche Karriere qualifizierte.

Das Stiftungsengagement ist jedoch nicht in all seinen Bausteinen beendet: Nach wie vor fördert die Stiftung geeignete Workshops sowie Symposien und Sommerschulen in diesem Themenfeld. Interessierte können zu den folgenden Stichtagen noch Anträge einreichen: 15. Juni und 15. November 2017.

Ensemble der Gläsernen Figuren in der Sonderausstellung "Der Neue Mensch. Obsessionen des 20. Jahrhunderts" (1999) im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden. (Foto: Deutsches Hygiene-Museum)

Veranstaltungen

Die VolkswagenStiftung wird auch künftig Veranstaltungen aus diesem Themenfeld ermöglichen. Ebenso beteiligt sie sich nach wie vor an diversen Bündnissen wie "Museion21: die Museumsakademie" – eine Qualifizierungsinitiative von Körber-Stiftung, VolkswagenStiftung, Kulturstiftung der Länder und Alfred Toepfer Stiftung in Kooperation mit dem Deutschen Museumsbund – oder "Kunst auf Lager".

"Museion21: die Museumsakademie" ist eine Qualifizierungsinitiative von Körber-Stiftung, VolkswagenStiftung, Kulturstiftung der Länder und Alfred Toepfer Stiftung in Kooperation mit dem Deutschen Museumsbund. Unter diesem Dach werden junge Museumsmitarbeiter(innen) für Leitungsfunktionen in dieser Branche vorbereitet. Im Jahr 2016 haben die Partner die Teilnehmer(innen) für den dritten Jahrgang ausgewählt, der inzwischen gestartet ist. Bislang wurden in drei Bewerberrunden gut 60 Teilnehmer(innen) aufgenommen; sie alle treffen sich mit Museumsexpert(inn)en und weiteren Interessierten am 12. und 13. Juni 2017 im Tagungszentrum Schloss Herrenhausen zum Erfahrungsaustausch und zur Vernetzung.

Wissenschaftler(innen), die zukünftig auf Leitungsebene in Museen arbeiten möchten, treffen sich zum Austausch in Hannover. (Foto: Kirsten Haarmann für Alfred Toepfer Stiftung)

"Kunst auf Lager" ist ein Zusammenschluss von 14 privaten und öffentlichen Förderern, darunter die VolkswagenStiftung. Ziel des Bündnisses ist es zum einen, die Erschließung und Sicherung wertvoller Kulturgüter in Museumsdepots umfassend zu unterstützen. Zum anderen geht es darum, die zukunftsweisenden Herausforderungen und drängendsten Probleme des Kulturerhalts verstärkt im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. Durch die Aufarbeitung und oftmals erforderliche Instandsetzung wertvoller Objekte aus den Museumsdepots wird häufig erst deren Präsentation in Museen und auf Onlineportalen möglich. Nach ebenfalls drei Jahren kann auch dieses gemeinsame Stiftungsengagement erfolgreiche Bilanz ziehen: Über 10 Mio. Euro an Fördergeldern haben die Bündnispartner von "Kunst auf Lager" seit Gründung der Initiative Anfang 2014 deutschlandweit für zahlreiche Forschungs- und Erhaltungsprojekte in Museen bereitgestellt, von denen manch verborgener Schatz profitierte. Ein Symposium am 11. und 12. September 2017 im Tagungszentrum Schloss Herrenhausen soll eine Bestandsaufnahme der bisherigen Aktivitäten vornehmen. 2018 schließlich wird noch eine große Abschlusskonferenz zur Förderinitiative "Forschung in Museen" folgen.

Forschungsprojekte wie eines der HU Berlin in Kooperation mit dem Filmmuseum Potsdam fördert die VolkswagenStiftung als Bündnispartnerin bei "Kunst auf Lager". (Foto: Gordon Welters für VolkswagenStiftung)

Impulse 1_2017

Die VolkswagenStiftung fokussiert in der aktuellen Ausgabe ihres Magazins "Impulse für die Wissenschaft" 1_2017 ausschließlich auf ihr allmählich auslaufendes Engagement in der Museumsforschung. Die Anfänge, sich auf diesem Feld zu engagieren, reichen lange zurück: Denn sie hat schon früh in ihrer eigenen Geschichte immer wieder Museumsbestände gezielt zum Thema der Wissenschaft gemacht: ob im Zuge geförderter Projekte, Infrastrukturvorhaben oder durch Veranstaltungen. Bereits in den 1970er Jahren unterstützte die Stiftung exemplarisch zunächst einzelne Bestände wie die schon erwähnte und im "Impulseheft" auch mit einem aktuell geförderten Projekt vorgestellte Prinzhorn-Sammlung zur Kunst psychisch Kranker.

Zuletzt war es dann eben mit "Forschung in Museen" gleich eine ganze Initiative, die das bunte und hierzulande weit ausdifferenzierte Feld forschungs- und förderpolitisch adressierte – eine, die fast ein Jahrzehnt lang bestehen sollte: von 2008 bis jetzt. Dieses Angebot rückte neben der Förderung ausgewiesener Veranstaltungen die wissenschaftliche Bearbeitung von Sammlungsbeständen kleinerer und mittelgroßer Museen hierzulande in den Vordergrund. Davon ausgehend formten sich etliche internationale Kooperationen. Ein zusätzlicher Effekt dieses Engagements, der durchaus intendiert war.

Als nun die letzten von insgesamt rund 170 Forschungsvorhaben in der "Museumsinitiative" bewilligt worden waren (sämtliche Projekte, die erfolgreich aus den beiden letzten Ausschreibungsrunden hervorgingen und im Jahr 2016 entschieden wurden, sind beispielhaft für das Spektrum des Förderungen im vergangenen Jahrzehnt in den Newsrubriken der aktuellen Impulse-Ausgabe kurz vorgestellt), hatte sich das zu einer Gesamtfördersumme von gut 30 Millionen Euro addiert. Vergegenwärtigt man sich, dass jene Zahl geförderter Vorhaben annähernd der Zahl der Museumssammlungen entspricht, die davon profitieren, die erschlossen, bearbeitet und sowohl für weitere Forschung als auch für sinnvoll konzipierte Ausstellungen nutzbar gemacht werden konnten, erhält man eine Vorstellung vom Umfang und von der Nachhaltigkeit dieses Stiftungsengagements. Ein Engagement zudem, das in zwei Richtungen wirkt: zum einen in die Wissenschaft selbst, zum anderen auf die Besucher der Museen und damit die interessierte Öffentlichkeit.

Das Bedrohungspotenzial, dem die Museumslandschaft sich ausgesetzt sieht: Das ist gewissermaßen der Subtext, der sich durch das so wirkungsvolle und nachhaltige Stiftungsengagement zieht und damit auch durch viele Geschichten im "Impulse-Magazin". Wie erfolgreich die Förderinitiative "Forschung in Museen" auch vor diesem Hintergrund war, davon zeichnen die Geschichten in dem aktuellen "Impulseheft" exemplarisch ein Bild: Immerhin fast 40 Museen begegnen dem Leser bei dem Streifzug durch das Magazin – und mit ihnen mehr als nur ein paar ungewöhnliche Eindrücke aus einzigartigen Sammlungen. Und so ist dieses Heft zugleich auch eine Art "Deutschlandreise" zu besonderen Orten, an denen sich Prezioses findet.

Christian Jung